Blue ming…?

Korea

Blue ming…?

Die ersten Tage verbrachte ich mit einer koreanischen Kleinfamilie in Guro-Gu, mit der U-Bahn nur eine halbe Stunde von Seoul Zentrum entfernt. Die Eltern sind beide voll berufstätig und Ziviltechniker, ihre Tochter ist zweieinhalb Jahre alt und besucht eine Tagesbetreuung. Drei Monate konnte die Mutter nach der Geburt vom Staat aus bezahlt zuhause bleiben, danach war für sie ein Daheimbleiben bis zu einem Jahr nur ohne viel finanzielle Unterstützung möglich. Manche Firmen ermöglichen auch bis zu drei Jahre Fernbleiben, mehr oder weniger gut bezahlt, Firmen wie Samsung bzw. Samsong gehören dazu, aber das ist eine andere Geschichte.
Die Familie lebt in einer grossen Wohnhausanlage in einer verhältnissmässig grossen Wohnung. Besonders gut gefielen mir die langgezogenen schmalen Balkone auf beiden Seiten, welche durch Schiebetüren aus Glas zu öffnen sind und so auch ein weiteres kleines Zimmer ermöglichen. Mehrere kleine Spielplätze, breite Gehwege, ein wenig Grün in Form von Bäumen bieten für Familien ideale Voraussetzungen. Kinder können ungestört umherlaufen, Roller fahren, oder mit ihren Freunden Taekwondo üben.

   

Ein Sicherheitsdienst sorgt für Ruhe und Ordnung und hilft auch gern verirrten Touristen weiter, wenn diese mitten in der Nacht verloren umherlaufen. Meiner sprach auch ganz passabel Englisch, besonders für sein hohes Alter hätte ich das beim ersten Blick nicht angenommen. Nach fast einer Woche in der Stadt kann ich sagen, dass ich bisher mit allen Menschen in irgendeiner Form auch mit wenig Englisch kommunizieren konnte.

Wie viele von diesen Anlagen existieren, fiel mir an meinem ersten Weg ins Zentrum auf. Hochhäuser machen den Grossteil der baulichen Landschaft aus, einige davon sind Siedlungen dieser Art. Wie ähnlich diese sind, bemerkte ich als ich an meinem fünften Tag meinen zweiten Gastgeber, einen britischen Couchsurfer am anderen Ende der Stadt erreichte. Nicht nur die Gebäude waren identisch, auch der Name der Siedlung. Wie naiv war ich gewesen, zu denken Blooming wäre nur ein schöner Name den man dieser Siedlung gegeben hatte und kein Wunder, dass der Taxifahrer bei meiner Ankunft allein mit der Info des „Blue ming Appartment“ nichts anzufangen gewusst hatte. Erst als das Taxi anhielt und ich die roten Buchstaben auf einem der Häuser auf mich herablachen sah, verstand ich. Diese Komplexe gehören alle zu einer Kette, das Logo prangt breit beim Eingang. Sowohl äusserlich, wie innerlich bieten alle dasselbe, allein die jeweiligen Wohnenden können in der Innenausstattung einen Unterschied machen.

Individualität was Architektur angeht scheint in dieser Stadt zumindest nicht von Bedeutung. Ab und zu tauchen kleine alte Häusersiedlungen auf, die jedoch sehr heruntergekommen wirken. Allein die alten Paläste in der Stadt scheinen dem Staat erhaltenswert. Eine kleine Siedlung im Zentrum zeigt auch die alten Holzhäuser von früher, dort kann man auch übernachten, die Preise haben mich jedoch bisher davon abgehalten.

Sonntagnachmittag bin ich in den Nordwesten gezogen, Goyang. Bis vor wenigen Jahren standen hier fast nur Reisfelder und Gewächshäuser. M. lebt seit mehr als 20 Jahren im Land und sagt, er konnte früher einen Rundblick geniessen von seinem Balkon aus und nun stehen fast überall Hochhäuser. Immerhin der Sonnenuntergang blieb ihm noch – im Hintergrund die nordkoreanischen Berge.

Eigentlich gehört dieser Teil nicht mehr zu Seoulstadt, wie mir mein neuer Gastgeber erklärt. Die Einwohner haben dafür abgestimmt sich zu trennen, was besonders auf der Bildungsebene Vorteile hat – Schulkinder haben so weniger Konkurrenz bei den Aufnahmeprüfungen, da nur hier wohnende sich für die jeweiligen Schulen bewerben dürfen. Und die Konkurrenz ist hart, Bildung steht an oberster Stelle, das wird den Kleinen schon früh beigebracht. Gleich neben Disziplin und Achtung der Älteren, wobei letzteres schon langsam abnimmt. Das ist mir auch schon aufgefallen. In den U-Bahnen sind es eher die Leute im mittleren Alter, die den gebrechlichen Senioren Platz machen. Die Jugendlichen ignorieren sie indem sie auf ihre Bildschirme starren oder schlafen. Vielleicht sind sie auch tatsächlich müde vom vielen Lernen, auffallend schien es mir dennoch. Und auch M. bestätigt mir die Sicht. Die nächste Generation meint er, wird sich ganz auf die Beine stellen und das System umkrempeln, so hofft er. Aber dazu ein ander Mal mehr…

NiNa

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